Wolkenstein im Laufe
der Jahrhunderte

Die Landwirtschaft

Te ciamp sa Guton. A man ciancia anda Levijia cun la mana, tamez bera Iacun Perathoner. Ann 1934.
Mené fën cun l ciaval sun jëuf de Sela. Ann 1929.
Mené fën cun l bo. Da man ciancia: Anton Senoner de Ciablon, Tresl Mussner da La Sia y Pazifico Mussner da Guton.

Wir verdanken es unseren Vorfahren, vorwiegend Bauern, dass die Landschaft so gut erhalten geblieben ist. Die ersten, bereits im 12. Jahrhundert erwähnten, Höfe sind Ruacia, Dorives, Ciablon, Daunëi, Larciunëi, Cëdepuent, Fussel, Ciajea und Plan.


Das Leben der Bauern bis 1960

Unsere Vorfahren, aber auch noch die älteren Wolkensteiner unter uns, lebten vor allem von der Landwirtschaft, ein alles andere als leichter Alltag.
Wir beschreiben hier kurz den Jahreskreis des Bauern: Die Arbeit am Feld war sehr mühsam. Alle zwei Jahre musste man im Frühjahr, nachdem der Boden aufgetaut war, auf den steilen Feldern die Erde, die im Laufe des Jahres nach unten gerutscht war, mit Karren wieder nach oben befördern. Erst dann konnte der Acker gepflügt werden. Die wohlhabenden Bauern taten dies mit Hilfe eines Pferdes, die ärmeren spannten für diese Arbeit zwei Ochsen ein. Anschließend wurden Roggen, Gerste oder Hafer gesät. Die Saat wurde dann wieder mit Erde zugedeckt. Dazu bedienten sich die Bauern einer Egge. Da man ständig Gefahr lief, dass aufgrund von schlechter Witterung, Eis, Schnee oder Hagel das eine oder andere Getreide nicht wuchs, wurden unterschiedliche Getreidesorten gesät, um mindestens eine davon ernten zu können. Es wurden aber auch Rüben, Kartoffeln, Erbsen und Mohn angebaut. Der Großteil des Getreides wurde im Frühjahr gesät; nur den Roggen säte man im Herbst, damit er dann im Folgejahr wachsen konnte. Im Sommer, nach der Heumahd Mitte August, wurde mit einer Sichel das Korn geschnitten. Es war eine sehr anstrengende Arbeit, da man stundenlang unter sengender Hitze in gebeugter Stellung war. Das geschnittene Getreide wurde zu Garben gebündelt und mit Hilfe einer Kraxe in den Stadel getragen. Dort wurde es auf dem Söller zum Trocknen aufgehängt.
Im Oktober wurde das Korn gedroschen. Diese Arbeit erfolgte auf der Tenne, wobei sich die Nachbarn gegenseitig aushalfen. Beim Dreschen wurde auch auf den Rhythmus geachtet: Wurde z. B. zu sechst gedroschen, musste man auch entsprechend musikalisch sein, um nicht aus dem Takt zu kommen. Während die Männer mit dem Dreschen beschäftigt waren, mussten die Frauen und Kinder die Garben wenden. Nach dem Dreschen wurde das Stroh im Stall ausgestreut oder unter das Heu gemischt, das dem Vieh und vor allem den Pferden als Futter vorgelegt wurde. Das Korn, das von der Tenne zusammengekehrt wurde, warf man in eine Windmühle, wo es vom Staub und den restlichen Ähren getrennt wurde. Anschließend wurde es in entsprechende Behälter gefüllt und in große Getreidekisten gelegt, wo es trocken und vor Mäusen sicher gelagert wurde. Im Spätherbst wurde dann in den Mühlen das Korn zu Mehl gemahlen. Die Mühlen (in Wolkenstein gab es ein Dutzend davon) befanden sich immer in der Nähe eines Baches, da sie mit Wasser angetrieben wurden. Die großen Bauernhöfe hatten eine eigene Mühle (z. B. Ciampac), andere Mühlen hingegen wurden von mehreren Höfen gemeinsam genutzt (Cëdepuent, Tina, Plazola, Frëina usw.). Alle freuten sich sowohl über das frische Mehl, als auch über die Kleie (Schale, mit der Vieh, Hühner und Schweine gefüttert wurden). Mit dem Roggenmehl wurde Brot gebacken, mit der Gerste wurden Knödel, Schmarren, Schlutzkrapfen sowie Gersten- und Brennsuppe zubereitet und der Hafer wurde vor allem als Pferdefutter verwendet. Davon wuchs allerdings eher wenig in Wolkenstein. Brot wurde auf den Bauernhöfen ein- oder zweimal im Jahr gebacken, im Herbst und im Frühjahr. Frisches Weißbrot vom Bäcker gab es nur an großen Feiertagen. Auf jedem Bauernhof gab es einen Backofen, der von der Küche aus geschürt wurde. Das Brotbacken war immer eine ganz besondere, wenn auch sehr anstrengende Arbeit. Der Teig wurde in der warmen Küche zubereitet, damit er anschließend aufgehen konnte. Der Ofen musste schon Stunden vorher gut eingeheizt werden, damit er auch wirklich heiß genug war. Zum Brotbacken brauchte man natürlich auch eigene Utensilien, so z. B. ein Brotbrett, einen Backtrog, einen Glutschieber, eine Holzschaufel, Leinentücher, einen Ofenbesen und eine Brottruhe. Das frische Brot wurde aus dem Ofen genommen und auf Brettern und Tischen ausgelegt, dann auf einem Brotgitter aufgereiht und schließlich auf den Dachboden gebracht, wo es trocknen konnte. Mit diesem Brot musste man dann mehrere Monate lang auskommen. Einen richtigen Bäckermeister, der jeden Tag frisches Brot backte, gab es in Wolkenstein erst ab 1921 (Franz Costa – Caspier). Das letzte Getreidefeld in Wolkenstein war jenes am Larciunëihof, und zwar bis 1971. Nicht nur die Feldarbeit war mühsam, auch die Heumahd verlangte vom Bauern so einiges ab. Alle Wiesen wurden mit Hand gemäht, das Heu wurde dann in Heutücher gefüllt und auf dem Rücken in den Stadel getragen. Nur wenige Bauern konnten sich für diese Arbeit ein Pferd leisten. Im Ort selber gab es nur einzelne Wiesen, die gemäht werden mussten, denn wo immer es ging, wurden Felder angelegt und es wurde Getreide angebaut. Es mussten also nur einige steile Hänge gemäht werden. Das übrige Heu kam von den Almen; deshalb besaß jeder Bauer auch eine oder zwei Almwiesen. Die Almwochen begannen nach dem Kirchweihfest von St. Christina und endeten mit Mitte August. Dazwischen musste noch der Roggen geschnitten werden. Der Bauer nahm auch eine Kuh oder zwei Ziegen mit auf die Alm, damit er mit Milch versorgt war. Gegessen wurde vor allem Mus, Polenta oder Brennsuppe; dazu Speck oder ein Ei. Auf der Alm wurde im Heu geschlafen und als Decke diente ein Heutuch; es fehlte im Heu natürlich nicht an Ameisen, Spinnen, Mäusen und ab und zu Schlangen.
Der Bauer stand schon bei Morgengrauen auf und gegen 6.00 Uhr wurde zum Frühstück ein Mus gegessen. Nur an Regentagen konnte er sich etwas ausruhen und den Tag im Heu oder in der Hütte verbringen. Da wurden dann die eigenartigsten Anekdoten erzählt (lustige und traurige) oder man vertrieb sich die Zeit mit einem Spiel. Am Donnerstagabend wurde dann gefeiert: Man traf sich in der einen oder anderen Hütte, um gemeinsam zu musizieren, zu singen und manchmal auch zu tanzen.
Nachdem auf der Alm alles gemäht war und man den Roggen eingeholt hatte, war es höchste Zeit das Grummet zu mähen.
Mit dem Wolkensteiner Kirchtag kehrte auch der Hirte wieder in den Ort zurück. Beim Almabtrieb wurden den schönsten Kühen Blumenkränze um den Hals gehängt. Von Sëura Frëina und Dusac wurde das Vieh schon etwas früher ins Tal gebracht. Die Schafe, die im Gebiet Puez, Chedul und Stevia weideten, brachte man in der ersten Oktoberwoche ins Tal. Den Rechnerinnen, die den ganzen Sommer über bei der Heumahd geholfen hatten, wurde am Blättermarkt eine Birne gekauft. Nach Allerheiligen wurden die Rüben geerntet und die Kartoffeln ausgegraben. Außerdem wurde Kraut gekocht, das dann in großen Holzbottichen gelagert wurde. Kraut und Kartoffeln waren das einzige Gemüse, das zwischen Allerheiligen und Mai gegessen wurde. Die kleinen Rüben wurden getrocknet und dann an die Schweine verfüttert. Diese wurden meist im November geschlachtet, sodass das Fleisch und der Speck den ganzen Winter über geräuchert und zu Ostern dann gegessen werden konnten.
Im Spätherbst und im Frühjahr wurde auf den Wiesen und Feldern Mist gestreut. Im Mai wurde der Mist dann mit Hilfe eines Karrens, der von einem Pferd oder einem Ochsen gezogen wurde, zerlegt. Im Herbst musste natürlich auch das Holz für den Winter gehackt werden. In Wolkenstein war der Großteil der Waldflächen in Besitz der Gemeinde, und deshalb erhielt jede Familie (je nach Bedarf) eine bestimmte Menge an Brennholz. Man konnte aber auch in den Wald gehen und selber Reisigbündel schnüren. Diese Arbeit wurde vor allem im Mai erledigt. Im Spätherbst oder nach dem ersten Schnee wurde mit Hilfe von Hornschlitten oder Schlitten, die von Pferden gezogen wurden, das Holz aus dem Wald ins Dorf befördert. Im Winter wurde Holz gehackt, Werkzeug repariert, Holzschuhe wurden angefertigt und (nach 1700) wurde geschnitzt oder gedrechselt. Sobald genügend Schnee lag, wurde das Heu von der Alm geholt. Das war eine sehr mühsame Arbeit: Der Bauer machte sich schon vor Tagesanbruch auf den Weg Richtung Grödner Joch, Col de Toi, Sellajoch oder Langkofel. Auf dem Rücken trug er einen Hornschlitten mit Seilen und Ketten. Gegen 13.00 oder 14.00 Uhr war er meist wieder zu Hause und freute sich auf die Gerstensuppe mit Knödeln und das geräucherte Fleisch. Das Heu, das von der Alm geholt wurde, wurde meist mit dem Heu vom Tal und dem Grummet vermischt. So neigte sich das Jahr dem Ende zu und der Bauer dankte dem Herrn, dass der Hof vor schlechtem Wetter und Unfällen verschont geblieben war. Am Stefanstag (26. Dezember) besprengte er mit Weihwasser Haus, Stall und Stadel.


Der geschlossene Hof
Die Form des geschlossenen Hofes hat über Jahrhunderte unser Landschaftsbild geprägt, nicht nur im Aussehen, sondern auch im sozialen Leben und in der Wirtschaft. Auch in Wolkenstein ist der geschlossene Hof eine Tradition mit großer Bedeutung, die dazu beigetragen hat, dass viele Bauernhöfe bis heute erhalten geblieben sind. Unter einem geschlossenen Hof versteht man einen Bauernhof bestehend aus Haus und Stadel, Felder und Wiesen, Wald und Weideflächen, der groß genug ist, um eine vierköpfige Familie zu ernähren. Ein geschlossener Hof darf nicht geteilt werden, auch nicht durch Erbschaft. Flächenänderungen können nur nach Zustimmung der zuständigen Höfekommission erfolgen. Es handelt sich dabei um eine eigene Kommission, der einige Bauern aus dem Ort angehören und deren Aufgabe es ist den geschlossenen Hof zu schützen. Der geschlossene Hof wird als Einheit von einer Generation an die nächste Generation vererbt, andere Erben werden ausgezahlt, je nachdem, was der Hof einbringt. Der Hof wird meist vom ältesten Sohn oder der ältesten Tochter übernommen oder von jenem Nachfolger, der schon immer am Hof mitgearbeitet hat. Das Höfegesetz aus dem Jahr 1900 wurde nach dem Ersten Weltkrieg aufgehoben. Nach dem 1. Juli 1929 galten nur mehr die italienischen Staatsgesetze. Trotzdem legten viele Bauern Wert darauf, den Hof nicht aufzuteilen, sondern an den Erstgeborenen weiterzugeben. 1954 wurde das Südtiroler Höfegesetz wieder aufgegriffen und es wurden all jene Höfe zu geschlossenen Höfen erklärt, die schon am 30. Juni 1929 als geschlossener Hof galten, die in die Sektion I des Grundbuches eingetragen waren und die am 1. April 1954 noch den selben Grundbesitz hatten wie zuvor. War der Bauer der Meinung der Hof könne nicht mehr eine vierköpfige Familie ernähren, so konnte er der Höfekommission einen Antrag stellen mit der Bitte den Hof zu „öffnen“. Auf Verordnung der Höfekommission wurden damals 22 Höfe „geöffnet“ (aus dem Buch der geschlossenen Höfe gestrichen). Im Grundbuch wurden diese Änderungen in den Jahren 1955, 1956 und 1957 eingetragen. In Wolkenstein gab es danach noch 48 geschlossene Höfe. Von damals bis August 2008 wurden insgesamt 13 Höfe „geöffnet“ und vier geschlossen, aufgeteilt, verkauft oder umgewidmet, immer mit Zustimmung der örtlichen Höfekommission. Derzeit (30.10.2010) gibt es in Wolkenstein noch 39 geschlossene Höfe.